Sie bewegen völlig selbstständig Lasten A nach B und können dabei teilweise auch Hindernissen ausweichen: Fahrerlose Transportsysteme (FTS) erobern die Produktion. 2018 wurden 60 Prozent mehr von diesen Logistikrobotern verkauft als im Vorjahr.
„Der Markt für fahrerlose Transportsysteme ist im Moment am Explodieren. Die Nachfrage nach unseren fahrerlosen Transportsystemen ist so hoch wie nie zuvor“, schwärmt Franz Wittich, Geschäftsführer von Stäubli WFT. Auch Jan Drömer, CIO bei E&K Automotion und Sprecher der Fachabteilung für fahrerlose Transportsysteme im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), kann dem nur beipflichten: „Das Interesse an den mobilen Systemen ist riesig.“ Das belegen auch Zahlen des Weltroboterverbands IFR: 111.000 FTS wurden 2018 verkauft. Ein Jahr zuvor waren es noch 69.000.
Die enorme Nachfrage komme aus unterschiedlichsten Marktbereichen, ausgehend von Logistikanwendungen aller Art: „Die Fertigungsprozesse selbst sind in der Regel bereits auf Zehntel- oder Hundertstelsekunden ausgereizt. In der Logistik, Zuführung und Bestückung hingegen liegt noch sehr viel Einsparungspotenzial“, so Wittich.
Das bestätigt Günter Krenz, Leiter des Geschäftsbereichs Assembly Technology bei Bosch Rexroth: „Oft haben Anwender zwar die Montage bereits effizient automatisiert, aber die Materialbereitstellung erfolgt noch halbautomatisch oder gar manuell.“ Diese Arbeitsweise habe zur Folge, dass die Intralogistik heutzutage oftmals mehr Platz in der Halle einnehme als die eigentliche Fertigungslinie.
Fahrerlose Transportsysteme (FTS) sind innerbetriebliche, flurgebundene Fördersysteme mit automatisch gesteuerten Fahrzeugen, deren primäre Aufgabe der Materialtransport, nicht aber der Personentransport ist. So lautet die Definition des Vereins deutscher Ingenieure (VDI) in der Richtlinie 2510. Die ersten FTS fuhren in den 1950er Jahren. Moderne Systeme bewegen sich nicht mehr auf festgelegten und markierten Routen, sondern steuern veränderbare Ziele eigenständig an. Dabei umfahren sie auch Hindernisse.
Auch BMW setzt auf mobile Transportroboter. Seit zwei Jahren nutzt der Automobilkonzern für seine Produktionslogistik sogenannte Smart Transport Robots (STR). Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik entwickelte BMW diese STR, die in der Lage sind, Bauteile selbstständig durch die Hallen zu transportieren. Doch das ist noch nicht alles: Zurzeit arbeitet BMW an der Entwicklung autonomer Outdoor-Transportroboter (Autotrailer), die einen Lkw-Anhänger selbstständig von seinem Stellplatz zur Ent- und Beladestation ins Werk bringen können.
Erfolgreich sind autonome Transportsysteme nicht nur wegen der damit verbundenen Optimierung der Produktlogistik, sondern auch durch die ermöglichte höhere Flexibilität – vor allem, wenn die Produktionsprozesse von einer hohen Variantenvielfalt geprägt sind. VDMA-Experte Drömer sieht die „Kombination aus kleiner werdenden Losgrößen und gleichzeitig wachsender Variantenvielfalt“, gerade in der Automobilindustrie, als große Herausforderung, die mit starren Prozessen und Produktionstechniken nicht mehr funktioniere. Deswegen bewegt sich der Trend in der Automobilbranche weg von starren Produktionslinien, hin zu hochflexiblen Fertigungssystemen, wie sie durch FTS ermöglicht werden.
Dass FTS sich nicht nur auf die Automobilbranche beschränken, beweist Sensorhersteller Sick. Am Standort Freiburg Hochdorf hat dieser eine Vorzeigefabrik errichtet, in der Kleinserien bis zur Losgröße 1 wirtschaftlich hergestellt werden können. Ermöglicht wird diese kleinteilige Arbeit durch modulare Fertigungsstationen, die wie Inseln in der Halle stehen und über flexible fahrerlose Transportsysteme miteinander verknüpft sind.
Der Wunsch nach mehr Flexibilität befeuert außerdem den Trend zu möglichst anpassungsfähigen Navigationslösungen. So kommen immer mehr autonome Transportroboter auf den Markt, die nicht wie klassische fahrerlose Transportsysteme an vorher festgelegte und markierte Routen gebunden sind, sondern selbstständig agieren. Bruno Adam, General Manager bei Omron Mobile Robots Europe, vergleicht die intelligenten Transportroboter mit Taxis, da sie „Hindernisse umfahren und unterschiedliche Ziele jederzeit eigenständig ansteuern“ können. Spurgeführte FTS seien dagegen wie Züge: „Sie können nur vordefinierten Bahnen folgen.“
Neben der autonomen Navigation ist auch die Kombination aus mobiler Plattform und darauf platziertem Handlingroboter ein weiterer interessanter Trend. Alois Buchstab, Vice President Advanced Robotic Applications bei Kuka, bezeichnet diese Verbindung aus Mobilroboter und kollaborativem Handlingroboter als die „4. Revolution in der Robotik.“ Mit der Kombination aus intelligentem FTS und Cobot ließen sich Bring- und Holdienste, Be- und Entladen von Maschinen, Montagetätigkeiten an verschiedenen Plätzen, Messaufgaben an Prüfplätzen und vieles mehr wirtschaftlich automatisieren.
Kuka hat das Konzept bereits mit dem KMR iiwa verwirklicht, der den Leichtbauroboter LBR iiwa mit einer mobilen, autonomen Plattform vereint. Auch Stäubli bietet diese Kombination mit dem Helmo („Helfer Montage“) als marktreifes Produkt an. Solche Systeme eignen sich, neben dem Einsatz als Montage-Springer, auch für die flexible Maschinenverkettung. Der Systemintegrator Baumann Automation setzt beispielsweise einen Helmo von Stäubli bei einem Kunden aus der Zerspanung ein. Dort holt der Helmo-Roboter autonom Werkzeuge und Halter aus dem Werkzeuglager und transportiert diese zur Werkzeugrüststation. Anschließend fährt der Roboter selbstständig zur Vermessung und zur Reinigung, um das Werkzeug dann in die Maschine einzulegen. Zukünftig soll der Helmo auch das Werkstück-Handling, die Qualitätskontrolle und das Verpacken übernehmen.